Unternehmen üben Druck auf kranke Mitarbeiter aus. Hausbesuche und Prämienkürzungen sollen Fehlzeiten reduzieren. Steht nun sogar der Kündigungsschutz zur Debatte?
Kranksein ist wieder Thema in den Medien. Tesla ist in die Schlagzeilen geraten. Arbeiter der Brandenburger Tesla-Fabrik haben unangekündigt Kontrollbesuche zu Hause erhalten. Und zwar von Geschäftsführer André Thierig und Personalchef Erik Demmler, wie das Handelsblatt schreibt.
Kritik an dem Vorgehen übt der Anwalt für Arbeitsrecht Anton Barrein von der Kanzlei activelaw Offenhausen:
Denn der Arbeitgeber dringt dabei massiv in die Privatsphäre der Beschäftigten ein. Er darf sich daher auch nicht auf das Grundstück oder in die Wohnungen ihrer Beschäftigten begeben. Arbeitnehmende müssen auch weder die Tür öffnen noch ihre Vorgesetzten in die Wohnung lassen. Sie haben hier überhaupt keine Pflicht, zu kooperieren.
Was jedoch in manchen Medien als abstruses Vorgehen einer amerikanischen Firma dargestellt wurde, ist auch hierzulande für Unternehmensvertreter bekannt: Methoden, um Druck auf Kranke auszuüben. Manche Manager kommen auf die Idee, erkrankte Angestellte durch einen Detektiv überwachen zu lassen.
Eine dauerhafte Beschattung – auch durch eine Detektei – wäre ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und in die Privatsphäre des Mitarbeitenden. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu kürzlich eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf bestätigt: Da hat ein Arbeitnehmer 1.500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen bekommen.
Das Instrument des Krankenrückkehrgesprächs wird im Betrieb häufig angewandt. Allerdings werden diese Gespräche, für die es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, häufig zur "Krankenjagd" genutzt.
Erstes Ziel des Unternehmens ist es, den Krankenstand in der Belegschaft zu senken und damit Kosten zu sparen. Es wird nicht nach Ursachen gesucht, für die der Betrieb verantwortlich ist, sondern der Einzelne aufgefordert, sein Verhalten zu ändern. Dies suggeriert Betroffenen, sie tragen Schuld an einer Krankheit. Neben der Einschüchterung von Beschäftigten dienen die Krankenrückkehrgespräche oft auch der Vorbereitung einer Kündigung.
Denn die Kündigung der Arbeitenden ist für Unternehmen mit Risiken verbunden. Letztlich lassen sich bei der krankheitsbedingten Kündigung keine festen Regeln aufstellen, denn es werden immer die Umstände des Einzelfalls geprüft.
An die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung sind hohe Anforderungen zu stellen:
Die negative Gesundheitsprognose ist für die Arbeitsgerichte ein wichtiger Faktor. Kann die Geschäftsführung beim Gerichtstermin Details zur Krankheit nennen, deren Verlauf ein Kranker unbedacht oder unter Druck ausführlich geschildert hat, erhöht das die Chancen des Unternehmens, die Kündigung juristisch durchzusetzen.
Muss mit unzumutbaren Fehlzeiten gerechnet werden, liegt eine negative Zukunftsprognose vor. Ist jemand lange Zeit krank, kommt es darauf an, ob mit einer Genesung zu rechnen ist und/oder ob er seine Arbeit noch ausüben kann. […]
Hier spielen vor allem Art und Häufigkeit der Krankheiten eine Rolle. Hat man einen Unfall oder wird zum Beispiel der Blinddarm entfernt, so kann oder muss hier davon ausgegangen werden, dass es nicht noch mal zu einem Ausfall kommt. Ist jedoch ein Beschäftigter immer wieder wegen der gleichen Sache arbeitsunfähig, so liegt nahe, dass eine chronische Krankheit vorliegt, die immer wieder zu Arbeitsunfähigkeit führen wird.
Firmenbosse haben unterschiedliche Ideen. Finanzielle Strafen gehören dazu. Beschäftigte bei Tesla erhalten eine jährliche Prämie von 1.000 Euro – wer fünf Prozent seiner Arbeitszeit fehlt, erhält dieses Geld jedoch nicht, berichtet die Wirtschaftswoche.
Der Chef der Münchner-Rückversicherung, Joachim Wenning, möchte das Thema grundsätzlich angehen und das Kündigungsschutzgesetz einschränken:
Wofür brauchen wir eigentlich bei nicht vorhandener Arbeitslosigkeit noch den Kündigungsschutz von vor 50 Jahren? De facto zwingt er Unternehmen, Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, mit denen es nicht weiterarbeiten möchte.
Wer sich kritisch zu den Entwicklungen in den Betrieben äußert, geht ein hohes Risiko ein. "Die Mitarbeitenden trauten sich teils nicht, sich krankzumelden", sagte Michael Betke, der Betriebsratsvorsitzende des Verteilzentrums der Drogeriekette dm in Weilerswist, nach einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers. Dem Gremiumsvertreter möchte das Unternehmen kündigen.
Seit inzwischen zwei Jahren versucht dm den BR-Vorsitzenden und engagierten Gewerkschafter Michael Betke loszuwerden
Ursachen spielen bei den Diskussionen um Hausbesuche oder fehlende Prämien keine Rolle. Denn Krankenkassen sind von den Krankenständen nicht überrascht. Untersuchungen zeigen:
Beschäftigte in Branchen mit Personalnot und Fachkräftemangel haben ein höheres Gesundheitsrisiko.
Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet bis 2030 mit einer Lücke von rund fünf Millionen Fachkräften. Der Krankenstand in Mangelberufen ist bereits heute mit bis zu sieben Prozent überdurchschnittlich hoch, zeigen Untersuchungen der Krankenkasse. Häufige Krankentage überraschen deshalb kaum.
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