CHRISTIAN O. ERBE: MEDIZINTECHNIKHERSTELLER ERBE STECKT 90 MILLIONEN EURO IN HIGHTECH-FABRIK

Bei rund 20 Millionen medizinischen Eingriffen pro Jahr sind Geräte vom Mittelständler Erbe im Einsatz. Und das Unternehmen will noch weiter wachsen.

Es muss schon einen besonderen Grund haben, wenn sich Bundesfinanzminister Christian Lindner in den Zollernalbkreis verirrt. Der FDP-Vorsitzende kommt zwar eine Stunde zu spät zur Werkseinweihung des schwäbischen Elektromedizintechnik-Herstellers Erbe. Aber er weiß, warum er sich an diesem Freitag mit Blaulicht durch den Feierabendverkehr quält.

„Dieses neue Kompetenzzentrum ist der Ausdruck von Zukunftsvertrauen“, sagt er bei der Eröffnungsfeier. Unternehmen wie Erbe verkörperten die Tugenden des deutschen Mittelstands. „Sie begründen unser aller wirtschaftliche Basis.“ Und Lindner verrät auch gleich das Erfolgsgeheimnis. Mittelständler wie Erbe fänden Nischen, füllten sie und bauten sie aus.

„Ein Leuchtturmprojekt“, nennt es Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Bei Erbe werde es in Zukunft noch viel zu bestaunen geben. Viel mehr an Lob geht nicht. Hier in der schwäbischen Provinz üben schon mal CDU und FDP den Schulterschluss vor ihrem Lieblingsklientel: dem deutschen Mittelstand.

Neue Produktionsstätte: Größte Investition in Firmengeschichte

Seit 1851 entwickelt, produziert und vertreibt die Erbe Elektromedizin GmbH weltweit chirurgische Instrumente und Geräte. Diese werden heute bei invasiven Operationen, zum Beispiel bei Lungenkrebs, eingesetzt. Innovative Technologien wie die Verödung von Wunden im Körper mit Schweißgeräten gehören zum Hightech-Besteck des Unternehmens unweit der Burg Hohenzollern.

Weltweit vertrauen Chirurgen, Operationsteams und Patienten auf Erbes Medizintechnik. Bei schätzungsweise 20 Millionen medizinischen Eingriffen pro Jahr sind Geräte von Erbe im Einsatz. Jetzt hat das Unternehmen ein neues Produktions- und Entwicklungszentrum in Rangendingen eingeweiht. Mit 90 Millionen Euro ist der Neubau laut Geschäftsführer Christian O. Erbe die größte Einzelinvestition in der 173-jährigen Firmengeschichte. Der 63-jährige Schwabe führt das Unternehmen seit 19 Jahren in fünfter Generation.

Erbe betonte vor den Festgästen, der Neubau sei ein Bekenntnis zur Stärkung und Sicherung des Standorts Deutschland und zugleich eine Entscheidung, in die Zukunftsentwicklung des Landes zu investieren.

Es ist schon ein besonderes Projekt in einer besonderen Zeit. Überall wird von der Deindustrialisierung Deutschlands gesprochen. Da fällt es auf, wenn ein schwäbischer Unternehmer innerhalb von fünf Jahren für 90 Millionen Euro ein Produktions- und Entwicklungszentrum für Medizintechnik aufbaut.

Die Festgäste spüren förmlich, wie sich die Politiker an solche Ereignisse klammern. Denn Fakt ist: Auch der für seine Bodenständigkeit gerühmte Mittelstand überlegt sich heute zweimal, ob er im Inland investiert. Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut verweist auf die auch in Baden-Württemberg drastisch eingebrochene Investitionsbereitschaft.

Auch Erbe gibt im Gespräch mit dem Handelsblatt tiefere Einblicke in seine Gemütslage: „Vor fünf Jahren haben wir uns aus Überzeugung für das Projekt entschieden. Ich weiß nicht, wie die Entscheidung heute ausfallen würde.“ Auf der Bühne im Atrium des neuen Gebäudes kündigt Erbe stattdessen sogar an, dass er bereits eine Erweiterung plane, da die Nachfrage so hoch sei.

Erweiterung im Lego-Stil

Doch womit liebäugelt der Unternehmer wirklich? Ihm schwebt eine Erweiterung im Lego-Stil vor, erklärt er im Gespräch. In dem Erweiterungsgebäude sollen Reinraumfertigungen in Standardcontainern gebaut und technisch abgenommen werden. Diese kompakte Fertigung kann dann schnell irgendwo in die Welt verschickt und dort aufgebaut werden, wo es gerade opportun ist. Damit zeigt der Mittelständler, wie er künftig auf geopolitische Risiken reagieren will. „Das Herz des Unternehmens wird hier in Deutschland bleiben, aber wir müssen in Zukunft viel flexibler sein“, sagt Erbe.

Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mit vier Produktionsstätten und 1900 Beschäftigten beim Umsatz um 15 Prozent auf 430 Millionen Euro zugelegt. Fest im Blick hat der Unternehmer die Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro bis 2030. Jährlich werden rund 10.000 Behandlungseinheiten gefertigt.

Das nachhaltige Gebäude in Rangendingen, 30 Kilometer südlich von Tübingen, würde auch Lindners grüne Koalitionspartner in Berlin freuen: Es ist eines der ersten Industriegebäude in Deutschland, die den KfW-Effizienzhausstandard 40 Plus erreichen. Holz und andere ökologische Baustoffe dominieren die Konstruktion und senken die jährlichen Heizkosten um 120.000 Euro. Auf dem Dach sind 2800 Solarmodule installiert, die ein Drittel des Energiebedarfs decken. Den Rest liefert ein Biogas-Blockheizkraftwerk.

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