RENTENAUFSCHUBPRäMIE: 22.000 EURO FüR BOOMER – BITTE WAS?

Die Regierung will Menschen belohnen, die ihre Rente verschieben – und verspricht gleich mehrere Zehntausend Euro Prämie. Ein teures Rentengeschenk an Ältere? Mitnichten.

22.000 Euro vom Staat für jedes Jahr, das man noch länger arbeitet? Macht mal eben 66.000 Euro für drei Jahre, wenn Ältere erst mit 70 statt mit 67 Jahren in Rente gehen. So viel Geld soll es künftig zum Rentenbeginn auf einen Schlag geben – bezahlt von der Deutschen Rentenversicherung. Wie bitte?  

Genau darauf haben sich SPD, FDP und Grüne kürzlich geeinigt. Nun wurden noch weitere Details der sogenannten Rentenaufschubprämie bekannt: Die Prämienzahlung soll zwar erst ab 2028 gezahlt werden, man kann aber bereits ab dem kommenden Jahr seinen Rentenbeginn verschieben.

Junge Menschen, die nun ins Arbeitsleben starten und fünf Jahrzehnte Beiträge zahlen müssen, können sich da nur erstaunt die Augen reiben. Die Ampelregierung hat sich in den vergangenen Monaten mächtig ins Zeug gelegt, um der wichtigen Wählergruppe Boomer attraktive Rentengeschenke zu machen. So soll mit dem Rentenpaket II das Rentenniveau fixiert werden, bei den Älteren darf somit nicht gespart werden. Künftig darf nur das Rentenniveau nicht sinken – die Beiträge für junge Menschen aber werden steigen (müssen). Immerhin gehen in den nächsten Jahren etwa sieben Millionen Menschen in Rente – und das muss in dem Umlageverfahren irgendwie finanziert werden. 

Ältere haben die Wahl

Der Gedanke hinter der Rentenaufschubprämie ist simpel: Sie soll stärkere Anreize zum Weiterarbeiten setzen, um so den demografisch bedingten Arbeitskräftemangel abzumildern. Das ist im Interesse der Wirtschaft. Die Einmalzahlung gibt es daher nur für jene, die mindestens ein Jahr (und bis zu maximal drei Jahre) weiterarbeiten und in dieser Zeit auf ihre Rentenzahlung verzichten. Der Renteneintritt wird bei dem Modell also über die Regelaltersgrenze hinaus verschoben. Diese liegt ab dem Jahr 2025 bei 66 Jahren. In der Zeit der Weiterbeschäftigung bekommen Ältere also weiterhin ihr Gehalt und sie zahlen Steuern sowie Sozialabgaben. An Letzteren allerdings deutlich weniger. 

Der eigentliche finanzielle Vorteil ergibt sich aus eingesparten Krankenversicherungsbeiträgen und möglichen Steuervorteilen. Die Ampel hat nämlich entschieden, dass Menschen jenseits der Regelaltersgrenze keine Arbeitgeberanteile mehr für die Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung entrichten müssen. Und natürlich müssen auch keine Beiträge in die Rentenversicherung mehr gezahlt werden – das macht 10,6 Prozent vom Bruttogehalt aus. Die reguläre Rentenzahlung und die eingesparten Beiträge gibt es dann beim Eintritt in den Ruhestand auf einen Schlag – das ist der Grund, warum im Schnitt rund 22.000 Euro pro Jahr realistisch sind.

Durchschnittlich 22.000 Euro pro Jahr als Prämie

Wie hoch die Auszahlung im Einzelfall ist, hängt vom Einkommen und der zu erwartenden Rentenhöhe ab. Der Sozialverband VdK hat einmal durchgerechnet, auf welche Summe man bei einer monatlichen Bruttorente von 1.600 Euro kommt. Das entspricht in etwa der Durchschnittsrente. Männer haben mit 1.700 Euro brutto im Monat sogar etwas mehr, bei Frauen sind es 1.300 Euro.

Multipliziert man die eingesparten Rentenzahlungen mal zwölf für jeden Monat im Jahr, kommt man auf 19.200 Euro. Hinzu kommen noch die ausgezahlten Sozialbeiträge und ein möglicher, eher kleiner Steuervorteil, der noch im Gespräch, aber nicht beschlossen ist. Unterm Strich könnten etwa 22.000 Euro Prämie stehen. 

Der Staat beziehungsweise die Rentenversicherung macht mitnichten ein teures Rentengeschenk an die Älteren. Es wird nur das an die Menschen ausgezahlt, worauf sie ohnehin Anspruch hätten – ihre Rente und der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Letzterer wäre aber sowieso weggefallen, wenn die Menschen direkt in Rente gegangen wären. Zugespitzt gesagt: Es sind erst einmal nur die Arbeitgeber, die finanziell zusätzlich belastet werden. Aber auch für sie ist der Aufschub attraktiv, denn sie halten so ihre erfahrenen Mitarbeiter. Zudem wären die Abgaben auch für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin angefallen, wenn man diesen denn überhaupt auf dem Arbeitsmarkt findet.

Kurzum: Durch die Rentenaufschubprämie entstehen erst einmal keine Zahlungsausfälle in den Sozialversicherungen. Das Gegenteil ist eher der Fall: Wenn die Rentenaufschubprämie für viele Ältere attraktiv ist, könnte sich die Zahl der arbeitenden Älteren über 66 Jahre stark steigen. Das wiederum bringt mehr Steuereinnahmen als Boomer, die pünktlich in Rente gehen. Die Wirtschaft profitiert ebenfalls. Die arbeitenden Rentnerinnen und Rentner finanzieren sich ihre Rente also selbst und können sich auf eine hohe Einmalzahlung freuen. Eine Win-win-win-Situation.

Und die Rentenaufschubprämie ist nicht das einzige Lockmittel fürs Weiterarbeiten. Wer die Altersgrenze erreicht, kann schließlich wählen: entweder die hohe Einmalzahlung nehmen oder doch schon Rente kassieren und zusätzlich sein Gehalt bekommen. Die Rente ist ja keine Sozialhilfe. Sie wird nicht gekürzt, wenn man andere Einkommen hat – man muss nur höhere Steuern auf das Gesamteinkommen zahlen.

Die Möglichkeit, zwei Einkommen zu haben, gibt es übrigens schon länger. Das Modell nennt sich Flexi-Rente und wurde 2017 eingeführt. Künftig müssen dann auch die Flexi-Rentnerinnen und -Rentner keine Arbeitgeberbeiträge mehr zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung entrichten, die Arbeitgeber zahlen die eingesparten Beiträge zusätzlich zum Gehalt aus. Das macht eine Gehaltserhöhung um 10,6 Prozent pro Monat. 

Und was, wenn man die gesetzliche Rente erhöhen will? Auch das ist möglich: In diesem Fall nimmt man gar keine Rentenzahlung in Anspruch, sondern arbeitet weiter. Zum Rentenbeginn bekommt man dann zwar keine Einmalzahlung, dafür erhöht sich die Rente um sechs Prozent pro Jahr. Welches Modell am Ende günstiger ist, hängt vom Einzelfall ab. In jedem Fall haben Ältere mehr Flexibilität, vorausgesetzt, sie sind gesund und können über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten. Denn das ist der einzige echte Kritikpunkt: Wer wegen Krankheit früher in Rente gehen muss, wird weiterhin hohe Abschläge in Kauf nehmen müssen. Prämien und Anreize gibt es auch nicht für Menschen, die nach 45 Beitragsjahren früher in Rente gehen – also vor Erreichen der Regelaltersgrenze, aber mindestens ab einem Alter von 63 Jahren.

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