ALZHEIMER: MENSCHEN MIT DIESER MUTATION BEKOMMEN DIE KRANKHEIT FAST IMMER

Das betroffene Gen beinhaltet den Bauplan für ein Protein, das Nervenzellen im Gehirn mit Nährstoffen versorgt. Tragen Menschen allerdings gleich zwei besondere Varianten davon im Erbgut, führt das offenbar zu Alzheimer.

Menschen mit einer doppelten Ausführung des sogenannten APOE4-Gens im Erbgut entwickeln einer Studie zufolge fast immer Anzeichen von Alzheimer. Zudem beginne die Krankheit bei ihnen mehrere Jahre früher als bei nicht-erblichem Alzheimer, berichtet ein Forschungsteam um Juan Fortea vom Sant Pau-Institut in Barcelona im Fachblatt »Nature Medicine«.

Das Gen APOE4 werde schon lange mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von Alzheimer in Verbindung gebracht, sagte Fortea. »Aber jetzt wissen wir, dass praktisch alle Personen, die dieses Gen in doppelter Ausführung tragen, körperliche Alzheimer-Merkmale entwickeln. Dies ist wichtig, denn diese Menschen machen zwischen zwei und drei Prozent der Bevölkerung aus.« Auf die Behandlung in Kliniken haben die Ergebnisse zunächst aber keinen Einfluss, da das Wissen über die Genvariante die Therapie nicht verändern würde.

DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war - und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.

In Deutschland sind aktuell mehr als eine Million Menschen an Alzheimer erkrankt, der häufigsten Form von Demenz. Tendenz steigend. Zwar ist die Ursache der Erkrankung bislang nicht genau geklärt. Der Hauptverdacht richtet sich aber gegen das Proteinfragment Beta-Amyloid (Aß), das sich im Gehirn zwischen Nervenzellen ablagert, sodass sogenannte Plaques entstehen. Sie führen zu Hirnveränderungen, die letztlich die Nervenzellen schädigen und zu Demenz führen.

Nährstoffen aus dem Takt

ApoE beinhaltet den Bauplan für ein Protein, das Apolipoprotein E, das wichtige Nährstoffe zu den Nervenzellen im Gehirn bringt. Beim Menschen kommt das Gen in drei verschiedene Varianten vor: APOE2, APOE3 und APOE4. Jeder Mensch hat – aufgrund des doppelten Chromosomensatzes – zwei APOE-Gene. Diese können, müssen aber nicht von der gleichen Variante sein, tritt APOE4 doppelt auf, besteht ein hohes Alzheimer-Risiko.

Laut Deutschem Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) legen Studien nahe, dass durch APOE4 die Versorgung des Gehirns mit Nährstoffen aus dem Takt gerät und deshalb die Nervenzellen beschädigt werden. Zudem beschleunigten APOE4-Proteine massiv die Bildung der Amyloid-Plaques.

Bislang sind drei Gene (APP, PSEN1 und PSEN2) bekannt, die das Alzheimer-Risiko erhöhen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Betroffene erkranken laut der Alzheimer Forschung Initiative (AFI) häufig relativ früh, nämlich in einem Alter zwischen 30 und 65 Jahren. Im Gegensatz zu APOE4 besteht schon mit nur einer Ausführung des jeweiligen Gens ein sehr hohes Risiko. Insgesamt ist Alzheimer nach Angaben der (AFI) aber nur in sehr seltenen Fällen erblich.

Mit 65 Jahren zu hohe Amyloidwerte im Nervenwasser

Das Team um Juan Fortea hatte untersucht, wie stark der Zusammenhang zwischen APOE4 und Alzheimer ist. Dafür schauten sich die Forschenden Daten mehrerer großer Gesundheitsstudien an. Darunter waren Angaben zu mehr als 3000 Hirnspendern, von denen knapp jeder Zehnte das APOE4-Gen in doppelter Ausführung trug. Außerdem analysierte das Team Daten zu Biomarkern und Krankheitsfortschritt bei über 10.000 Menschen, auch unter ihnen waren Menschen mit zwei APOE4-Genen.

Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass fast alle Träger von zwei APOE4-Genen ab einem Alter von 55 Jahren deutlich höhere Werte von Alzheimer-Biomarkern aufwiesen als Personen mit zwei Varianten des APOE3-Gens, schreibt das Team um Fortea. Mit 65 Jahren hätten mehr als 95 Prozent der Betroffenen zu hohe Amyloidwerte im Nervenwasser gehabt, bei drei von vier Patienten konnten Amyloid-Ablagerungen, also Plaques, im Gehirn nachgewiesen werden.

In einem ebenfalls in »Nature Medicine« erschienenen Kommentar zur Studie heißt es, die Ergebnisse würden die Art und Weise ändern, wie Forscher über Alzheimer denken und wie sie die Krankheit erforschen. Sie verankerten APOE4 »als kausalen Faktor von Alzheimer, und nicht nur als Risikofaktor.« Es sei dringend notwendig, ein Medikament zu entwickeln, das speziell darauf abziele.

Alfredo Ramírez, Leiter der Sektion Molecular Neuropsychiatry an der Uniklinik Köln, überzeugen die Ergebnisse: »Es gibt nicht mehr viel zu tun, um APOE4 als monogene Form der Alzheimer-Krankheit zu betrachten.« Als monogen werden Erkrankungen bezeichnet, die durch eine Mutation in einem einzelnen Gen ausgelöst werden, bekannt sind sie auch als Ein-Gen-Krankheiten. Es müsse aber unter anderem noch korrekt bestimmt werden, wie hoch für Menschen mit zwei APOE4-Genen die Wahrscheinlichkeit tatsächlich sei, an Alzheimer zu erkranken.

Nicolai Franzmeier, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München zur Entstehung von Alzheimer forscht, sagt: »Die Studie hat jedoch praktisch erst mal keinen Einfluss auf die Diagnostik in der klinischen Routine – zumindest aktuell nicht in Deutschland.« In der klinischen Routine werde die APOE4-Diagnostik üblicherweise nicht empfohlen, da daraus bislang noch keine therapeutische Konsequenz resultiere, was sich jedoch in Zukunft ändern könne.

2024-05-07T10:12:40Z dg43tfdfdgfd