GESUNDHEITSWIRTSCHAFT: WO AUS MEDIZINERN GUTE MANAGER WERDEN

Mit spezialisierten Wirtschaftsstudiengängen wollen Business-Schools die Gesundheitsmanager der Zukunft ausbilden. Können ökonomisch versierte Ärzte und Pfleger das System auf Kurs bringen?

An einer Privathochschule, die den Zusatz „Finance and Management“ im Namen führt, erwartet man nicht zwingend Mediziner, Biotechnologen und Krankenpfleger. Doch jedes Jahr schreiben sich rund 40 Professionals aus der Gesundheitsbranche an der Frankfurt School of Finance and Management ein. Hier wird der Abschluss Master of Business Administration (MBA) auch mit Schwerpunkt International Healthcare Management angeboten. Ein Wirtschaftsstudium für angehende Gesundheitsmanager.

Damit hat sich die Business-School in einem Markt positioniert, den andere lange ignoriert ‧haben. Gesundheit gilt als weltweite Wachstumsbranche. Um durchschnittlich 12,7 Prozent dürften die globalen Ausgaben im Bereich Healthcare in den kommenden Jahren zulegen, prognostizieren die Marktforscher von Future Data Stats. Für 2030 würde das ein Gesamtvolumen von 14 Billionen Euro bedeuten. Zu den Treibern gehören der demografische Wandel, die wachsende Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen in Schwellenländern sowie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Allein in Deutschland flossen 2022 knapp 500 Milliarden Euro ins Gesundheitssystem, das sind 13,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Weltweit geben nur die USA mehr Geld für medizinische Versorgung aus. Rund 5,2 Millionen Menschen sind hierzulande in Gesundheit und Pflege beschäftigt, fast jeder neunte Erwerbstätige.

Trotzdem fehlt das Geld. Die Krankenkassenbeiträge steigen, 54 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser schreiben rote Zahlen. Ökonomen und Gesundheitsexperten fordern seit Jahren tiefgreifende Reformen. Die Branche hat nicht nur ein Effizienzproblem, sie hat auch ein Managementproblem. „Wir brauchen ein Zukunftskonzept für unsere Krankenhausversorgung, das den Namen wirklich verdient hat“, sagt Michael Ey, Partner und Co-Chef des Bereichs Gesundheitswirtschaft beim Beratungsunternehmen PwC Deutschland.

Hier setzt die Frankfurt School mit ihrem „MBA für Mediziner“ an. Das spezialisierte Studium sei die richtige Wahl für alle, die in der Gesundheitsversorgung tätig sind, sagt Rainer Sibbel, Professor für internationales Gesundheitsmanagement und akademischer Direktor des Programms. „Es ermöglicht ihnen, sich zu Führungskräften zu entwickeln, die in der Lage sind, Ressourcen und Prozesse strategisch zu managen und das Gesundheitsniveau zu verbessern.“

Quereinstiege sind nur selten

Gut dotierte Managementpositionen winken nicht nur bei Pharma- und Biotechunternehmen. Auch Krankenkassen, Regulierungs‧behörden, Universitätskliniken und große Krankenhausketten wie Helios, Asklepios oder Sana haben Bedarf. Absolventen klassischer MBA-Programme zieht es jedoch nur selten dorthin. „Quereinstiege aus anderen Branchen sind eher selten“, sagt Ey. Finanzierung, Kostenkontrolle, Risikomanagement oder Investitionsplanung im Gesundheitssektor folgten besonderen Regeln, die umfassendes Spezialwissen erfordern.

Der Frankfurter Studiengang solle Absolventen in die Lage versetzen, strategische Entscheidungen in einem stark regulierten Umfeld zu treffen, sagt Sibbel. „Die Teilnehmenden lernen eine große Bandbreite an Managementansätzen aus anderen Branchen kennen, um sie in den komplexen Kontext des Gesundheitswesens zu übertragen.“ Neben klassischer BWL fänden auch Vergleiche verschiedener Gesundheitssysteme, die Bewertung von Gesundheitstechnologien oder medizinische Ethik ihren Platz.

Gefragt ist auch die Fähigkeit zum Krisenmanagement, denn ein Großteil der Einrichtungen operiert im Krisenmodus. Fast alle Krankenhausträger seien derzeit gezwungen, harte Sparmaßnahmen durchzusetzen, um drohende Insolvenzen abzuwenden, warnt das Deutsche Krankenhaus Institut (DKI). Nach Berechnungen von PwC fehlen der Branche bis 2030 zudem 400.000 Fachkräfte. „Immer mehr Einrichtungen stehen vor großen Umbrüchen“, sagt Ey.

Laut Rebekka Reckel, Expertin für den Gesundheitssektor beim Personalvermittler Kienbaum, erfordert eine Führungsposition im ‧Krankenhausmanagement zudem Fingerspitzengefühl. Ein lokales Krankenhaus oder die Abteilung für Geburtshilfe zu schließen, sei etwas anderes, als eine unrentable Filiale abzuwickeln: „Wesentlich ist die Fähigkeit, einen Ausgleich zwischen ökonomischen Notwendigkeiten und dem Patientenwohl zu finden, insbesondere in einem emotional anspruchsvollen Arbeitsumfeld.“

Ein MBA könne hilfreich sein, eine zwingende Voraussetzung sei der Abschluss allerdings nicht. Förderlich wäre, wenn bereits im Medizinstudium betriebswirtschaftliche Grundlagen vermittelt würden, damit Mediziner auf Augenhöhe mit Politikern oder Investoren diskutieren könnten.

In den USA bieten viele Business-Schools kombinierte Abschlüsse in Medizin und Management an, hierzulande haben nur rund ein Dutzend private Hochschulen berufsbegleitende Managementkurse für Mediziner im Lehrplan, darunter die Fernhochschule IU, die Hochschule Wismar über ihre Weiterbildungstochter Wings, die Hochschule Fresenius oder die auf Gesundheitsberufe spezialisierte Appolon Hochschule.

Zudem legen einige Krankenhausbetreiber eigene Weiterbildungsprogramme auf. „Wir sind sehr daran interessiert, Führungspositionen intern zu besetzen“, sagt Christof Hettich, Vorstandschef der SRH Holding, die neben zehn Kliniken auch Schulen und Hochschulen betreibt, darunter die EBS Wirtschaft für Universität und Recht, die SRH Berlin University of Applied Science‧ und die SRH Hochschule Heidelberg.

Alle drei haben berufsbegleitende MBAs für Krankenhaus- und Gesundheitsmanagement im Programm. Zudem hat das Unternehmen ein internes Entwicklungsprogramm für seine Krankenhausmanager geschaffen. Quereinsteiger ködert der SRH-Chef mit einem ganz besonderen Argument: „Persönlichkeiten, die im Gesundheitsbereich tätig sind, leben Corporate Social Responsibility täglich in ihrer Arbeit und müssen sie nicht in anderen Bereichen finden.“

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