KEIN WUNDERMITTEL GEGEN ADIPOSITAS: DAS SIND DIE RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN DER ABNEHMSPRITZE WEGOVY

Das Medikament Wegovy soll adipösen oder stark übergewichtigen Menschen dabei helfen, abzunehmen. Dazu müssen sich Anwender und Anwenderinnen das Arzneimittel selbst einmal pro Woche mit einem Pen unter die Haut spritzen. Viele Betroffene setzen große Hoffnung in die Abnehmspritze. Dabei sind der Wirksamkeit Grenzen gesetzt. Zudem geht eine Behandlung oft mit unangenehmen Nebenwirkungen einher und die Langzeitrisiken sind nur unvollständig erforscht.

Wegovy enthält den Wirkstoff Semaglutid, der die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 nachahmt. Er verzögert die Entleerung des Magens, fördert die Ausschüttung des Hormons Insulin und soll den Appetit reduzieren. Semaglutid hilft, den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Das schwächer dosierte Semaglutid-Präparat „Ozempic“ wird daher schon länger zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt. Das höher dosierte Wegovy, das zur Adipositas-Behandlung zugelassen ist, gibt es in Deutschland erst seit etwa einem Jahr. Viele adipöse oder stark übergewichtige Menschen sehnen sich nach einer wirksamen Therapie. Doch ob Wegovy ihnen dauerhaft helfen kann, ist unklar. Dazu müsste das Medikament wohl lebenslang eingenommen werden. Dagegen sprechen jedoch teils gefährliche Risiken und Nebenwirkungen.

Abnehmspritze Wegovy ist kein Wundermittel

Die Wirkung von Wegovy ist in einer Studie aus dem Jahr 2022 dokumentiert: 131 Jugendliche mit Adipositas hatten sich mehr als ein Jahr lang wöchentlich Wegovy gespritzt und das Medikament konnte ihnen beim Abnehmen helfen. Dabei war der Gewichtsverlust nicht allein dem Medikament zu verdanken: Die Teilnehmenden waren angehalten, eine Diät zu befolgen und täglich eine Stunde Sport zu treiben, was mit Aktivitätstrackern nachverfolgt werden konnte.

Im Vergleich zu einer Placebokontrollgruppe nahmen die Personen, die Wegovy bekamen, aber deutlich stärker ab. 73 Prozent von ihnen verloren mehr als fünf Prozent ihres Gewichts, in der Placebo-Gruppe war das nur bei 18 Prozent der Fall. Der durchschnittliche BMI in der Wegovy-Gruppe hatte sich um 16 Prozent verringert, der in der Placebo Gruppe sank nur um 0,6 Prozent. Bei adipösen Erwachsenen hatte sich zuvor in einer anderen Studie Ähnliches gezeigt. Wegovy scheint also den Gewichtsverlust bei Adipositas beschleunigen zu können, wenn gleichzeitig der Lebensstil umgestellt wird. Es ist jedoch kein Wundermittel und darf und sollte nicht von jedem genutzt werden, der gerne dünner sein möchte.

Wegovy nur bei Adipositas auf Rezept erhältlich

Wegovy ist in der EU rezeptpflichtig und zur Gewichtsreduzierung nur bei Adipositas zugelassen, also bei einem BMI ab 30, sowie bei Übergewicht bei einem BMI ab 27, wenn zusätzlich eine Begleiterkrankung vorliegt. Zusätzlich müssen immer ein Sportprogramm und eine Diät eingehalten werden. Der Grund für die strenge Indikation sind die Risiken und Nebenwirkungen des Medikaments. So geht die appetitzügelnde Wirkung oft mit Übelkeit und Erbrechen einher.

Die Abscheu vor Essen scheint oft so groß zu werden, dass man darauf verzichtet.

Die britische Zeitung „The Guardian“ hatte nach der Einführung in Großbritannien Erfahrungsberichte veröffentlicht. Demnach haben Betroffene während einer Semaglutid-Behandlung angefangen, sich vor ihrer Lieblingsspeise zu ekeln, fühlten sich ständig durstig oder mussten sich schon nach der Aufnahme kleiner Mengen Nahrung oder Flüssigkeit übergeben. Wie der „Guardian“-Artikel nahelegt, könnten diese unangenehmen Symptome sogar der Hauptgrund für die Wirkung der Abnehmspritze sein: Die Abscheu vor Essen scheint oft so groß zu werden, dass man darauf verzichtet.

Welche Nebenwirkungen Wegovy hervorrufen kann

Der Hersteller gibt als häufigste Nebenwirkung neben Übelkeit und Erbrechen Durchfälle, Kopf- und Magenschmerzen, Müdigkeit, Blähungen, Verstopfung und Magen-Darm-Grippe an. Zu den ernsteren möglichen Nebenwirkungen gehören laut Hersteller Entzündungen der Bauchspeicheldrüse oder der Gallenblase und Gallensteine, die eine Operation erforderlich machen können. Möglich seien ernste allergische Reaktionen, Nierenversagen, Herzrasen, Unterzuckerung und Sehstörungen bei Menschen mit Diabetes Typ 2 sowie Depressionen und Selbstmordgedanken unter der Therapie mit Wegovy.

Weiterhin gibt der Hersteller an, dass das Medikament Schilddrüsenkrebs begünstigen kann: Man solle einen Arzt aufsuchen, wenn Schluckbeschwerden oder Schwellungen am Hals auftreten. Wie oft die jeweiligen Nebenwirkungen auftreten, kann noch nicht genau beziffert werden. In Tierversuchen hatte Semaglutid außerdem Bauchspeicheldrüsenkrebs ausgelöst. Und chinesische Forschende warnten in einer Veröffentlichung vor noch einer weiteren, lebensgefährlichen Nebenwirkung: Semaglutid könnte demnach langfristig die Beweglichkeit und Elastizität des Darms verringern, wodurch ein Darmverschluss drohe.

Wegovy: Nur bei dauerhafter Einnahme wirksam

Das Risiko für gefährliche Nebenwirkungen wiegt noch schwerer, da man Semaglutid dauerhaft einnehmen müsste, um einen Gewichtsverlust zu halten. Sobald Versuchsteilnehmende das Medikament absetzten, nahmen sie schnell fast das gesamte verlorene Gewicht wieder zu. Eine Therapie mit Wegovy wäre also nur dann sinnvoll, wenn der Nutzen die Risiken langfristig überwiegt und adipöse Patienten und Patientinnen dauerhaft mit den Nebenwirkungen zurechtkommen.

Dazu kommen die Kosten der Behandlung. Die Krankenkassen übernehmen diese nicht, das Abnehmmittel ist eine Selbstzahlerleistung. Der Preis für die Spitzen liegt in Deutschland bei bis zu 300 Euro pro Monat, je nach Dosierung.

Dass über Wegovy trotz alldem zunächst weltweit euphorisch berichtet wurde, liegt auch am Marketing der Hersteller bei der Einführung auf dem europäischen Markt. Wie ebenfalls die britische Zeitung „The Guardian“ berichtete, hatten viele Experten und Expertinnen sowie Organisationen in Europa und Großbritannien, die sich positiv über Wegovy geäußert haben, Geld vom Hersteller Novo Nordisk erhalten. Nachdem sie Honorare des Pharmakonzerns eingestrichen hatten, hatten Ärzte und Ärztinnen das Medikament öffentlich als „Gamechanger“ bezeichnet. In mehreren Fällen sollen die Zahlungen nicht offengelegt worden sein.

Von einer „orchestrierten PR-Kampagne“ ist die Rede: Umgerechnet rund 25,3 Millionen Euro soll Novo Nordisk von 2019 bis 2021 an Gesundheitsorganisationen und Fachleute gezahlt haben, schreibt der „Observer“. Rund 4,3 Millionen Euro davon soll die Fachgesellschaft European Association for the Study of Obesity in diesem Zeitraum erhalten haben, was laut „Observer“ mehr als drei Viertel von deren Mitteln ausmacht. Die deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) legt auf ihrer Seite offen, dass sie in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 220.000 Euro von Novo Nordisk erhalten hat.

Zu Semaglutid-Medikamenten äußert sich die DAG in einem FAQ allerdings vorsichtig: Nutzen und Risiko von Semaglutid müssten gut gegeneinander abgewogen werden, es gehöre „zwingend unter ärztliche Kontrolle“. Arzneimittel zur Gewichtsreduktion sollten „keinesfalls unkontrolliert als Abnehmmittel für die Allgemeinbevölkerung ohne Vorliegen der Indikation angewendet werden“, so die DAG.

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