EINE KOMMISSION DES STäNDERATS FORDERT RABATTE FüR MEDIKAMENTE, UM JäHRLICH 400 MILLIONEN FRANKEN EINZUSPAREN – DOCH DIE PHARMABRANCHE WEHRT SICH

Die Kosten im Gesundheitswesen sind zurzeit stark im Fokus. Im Juni stimmt das Volk über zwei Volksinitiativen zu Kosten und Prämien in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) ab. 2023 beliefen sich die Nettokosten für die OKP auf rund 35 Milliarden Franken. Die drei grössten Kostenblöcke sind die Spitäler (Anteil 33 Prozent im Jahr 2022), die Arztpraxen (23 Prozent) und die Medikamente (22 Prozent).

Das Parlament müht sich seit 2022 mit dem jüngsten Massnahmenpaket des Bundesrats zur Kostendämpfung ab. Der Nationalrat hat das Paket 2023 mit Änderungen akzeptiert. Diesen Juni kommt das Dossier in den Ständerat. Das Paket enthält im Kern sieben Massnahmen. Laut einer Studie des Beratungsbüros Infras könnte vor allem eine der Massnahmen spürbare Einsparungen bringen: die Möglichkeit der Bildung von Netzwerken zur koordinierten Gesundheitsversorgung. Dies zwecks Erhöhung der Behandlungsqualität und Vermeidung von Doppelspurigkeiten (geschätztes Sparpotenzial 250 Millionen Franken oder mehr pro Jahr).

Andere genannte Massnahmen zu Themen wie Preisüberprüfung bei Medikamenten, Referenztarifen für Behandlungen in ausserkantonalen Spitälern oder elektronischen Rechnungen dürften weit weniger ins Gewicht fallen.

Plötzlich ein neues Element

Diese Woche hat die Gesundheitskommission des Ständerats ohne Gegenstimme ein neues Element in das Paket gesteckt, das alle anderen Massnahmen in den Schatten stellen könnte. Die Kommission will im Gesetz verankern, dass bei umsatzstarken Medikamenten Preismodelle mit automatischen Rabatten möglich sind (im Jargon: «Kostenfolgemodelle»). Die Kommission beziffert auf Basis einer Bundesschätzung das Sparpotenzial pro Jahr auf «bis zu 400 Millionen Franken». Ein Kommissionsmitglied nennt eine Bandbreite von 250 bis 400 Millionen Franken.

Solche Rabattmodelle gibt es laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) «im Einzelfall» jetzt schon, aber für eine breite Anwendung brauche es eine Gesetzesgrundlage. Der Vorschlag der Ständeräte nennt keine Zahlen. Die Eckpunkte soll der Bundesrat später per Verordnung festlegen.

Eine Vorstellung von den Grössenordnungen liefert der Modellvorschlag des Krankenkassenverbands Curafutura auf Basis einer Studie der Beratungsfirma Pharmalevers. In diesem Modell würde bei OKP-Umsätzen von Medikamenten über dem Schwellenwert von 20 Millionen Franken pro Jahr automatisch ein Rabatt von 35 Prozent anfallen, sofern der Umsatz im Referenzjahr gegenüber dem Vorjahr gewachsen ist. Auf Basis der Daten für 2019 schätzte die Studie das Einsparpotenzial für die OKP auf rund 240 Millionen Franken. Ein ähnliches Modell präsentierte 2023 auch das Denkinstitut Avenir Suisse.

Die Bundesschätzung beruht laut BAG auf den beiden genannten Modellen mit der Annahme von Rabatten ab Jahresumsätzen von 25 Millionen Franken bei den 30 bis 40 umsatzstärksten patentgeschützten Medikamenten.

Laut einer Analyse der Krankenkasse Helsana brachten es die zwanzig umsatzstärksten Präparate 2022 zusammen auf einen OKP-Umsatz von etwa 1,7 Milliarden Franken. Vier Medikamente übersprangen die 100-Millionen-Grenze, und die Nummer 20 brachte es auf 52 Millionen. Medikamente für die Unterdrückung des Immunsystems und für die Krebsbehandlung fielen am stärksten ins Gewicht.

Ärger in der Pharmaindustrie

Die Grundidee hinter Rabattmodellen: Ab einem gewissen Umsatz hat der Hersteller seine Fixkosten gedeckt; damit steigen bei zusätzlichen Verkäufen die Margen, und Rabatte sind gut begründbar. Der Beschluss der Ständeratskommission stiess aber dem Pharmaverband Interpharma sauer auf. Er kritisiert, dass der Beschluss trotz dessen Tragweite als Schnellschuss ohne reguläre Vernehmlassung und ohne Gesamtsicht gefallen sei.

«Wir sind grundsätzlich offen (für Rabattmodelle), aber ein solches Modell darf man nicht isoliert einführen, sondern nur im Rahmen einer Gesamtmodernisierung der Preisfestsetzung», sagt der Interpharma-Geschäftsführer René Buholzer. Konkreter: «Es braucht eine nachvollziehbare Auswahl der Vergleichstherapien.» Zur Illustration zeigt er auf den Telekommarkt: «Man darf bei der Preisbildung eines iPhones dieses nicht mit einem alten Nokia-Mobiltelefon vergleichen.» Laut Buholzer müsse der Nutzen von Therapien honoriert werden, «etwa mit einem pragmatischen Nutzenbewertungsraster».

Nach der Behandlung im Ständerat im Juni geht das Dossier zurück in den Nationalrat. Man habe den Beschluss in der Erwartung getroffen, dass dann die zuständige Nationalratskommission das Thema nochmals genau anschaue, sagt der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli. Er hatte schon 2019 in einer Motion Änderungen bei der Preisfestsetzung unter anderem via Rabattmodell gefordert. Das Parlament hatte die Motion 2020 an den Bundesrat überwiesen. Doch zur Umsetzung kam es bisher nicht. Das soll sich nun ändern.

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