WIRKSTOFF WIE BEI ABNEHMSPRITZE: DIABETES-MEDIKAMENT SOLL AUCH BEI PARKINSON HELFEN

Diabetes-Mittel können positive Nebeneffekte haben, wie die Abnehmspritze zuletzt bewiesen hat. Jetzt könnten auch Parkinson-Patienten von dem Medikament profitieren. Denn laut einer Studie verlangsamt der Wirkstoff die Krankheit und hält die Symptome auf. Es gab aber auch Nebenwirkungen.

Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Allein in Deutschland sind rund 400.000 Menschen betroffen - mit deutlich wachsender Tendenz. Eine Heilung gibt es nicht. Umso wichtiger seien bereits im frühen Krankheitsstadium Therapien, die gut greifen, betont Neurologe Walter Pirker, ehemaliger Präsident der Österreichischen Parkinson-Gesellschaft, gegenüber dem "Standard". Einen solchen Therapieansatz liefert nun eine neue Studie. Im Zentrum steht wieder einmal ein Medikament, das eigentlich bei Diabetikern eingesetzt wird - wie bei der Abnehmspritze.

Fäkalientherapie lindert Parkinson-SymptomeDieses Mal heißt das Diabetes-Medikament Lixisenatid. Dessen Wirkung untersuchten Forscherinnen und Forscher nun in ihrer Studie, die im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde, an 156 Personen mit leichten bis mittelschweren Parkinson-Symptomen, die alle bereits das Standard-Parkinson-Medikament Levodopa oder andere Arzneimittel einnahmen. Die eine Hälfte von ihnen erhielt ein Jahr Lixisenatid, die andere ein Placebo.

Fäkalientherapie lindert Parkinson-Symptome

Dieses Mal heißt das Diabetes-Medikament Lixisenatid. Dessen Wirkung untersuchten Forscherinnen und Forscher nun in ihrer Studie, die im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde, an 156 Personen mit leichten bis mittelschweren Parkinson-Symptomen, die alle bereits das Standard-Parkinson-Medikament Levodopa oder andere Arzneimittel einnahmen. Die eine Hälfte von ihnen erhielt ein Jahr Lixisenatid, die andere ein Placebo.

Das Ergebnis: Nach zwölf Monaten zeigten die Teilnehmenden der Placebo-Kontrollgruppe wie erwartet eine Verschlechterung ihrer Symptome. Auf einer Skala zur Bewertung des Schweregrads der Parkinson-Krankheit, war ihr Wert um drei Punkte gestiegen. Bei denjenigen, die das Medikament einnahmen, änderte sich die Punktzahl auf dieser Skala nicht. Somit konnte Lixisenatid die Krankheit verlangsamen und die Symptome aufhalten, resümieren die Forschenden.

"Das wäre ein Riesenerfolg"

Wie sich der positive Effekt des Diabetes-Medikaments bei Parkinson erklären lässt, konnte die Studie nicht herausfinden. Interessant ist aber, dass Lixisenatid ein sogenannter GLP-1-Rezeptoragonist ist. Das sind blutzuckersenkende Arzneistoffe, die vor allem zur Therapie bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Lixisenatid gehört damit zu einer großen Familie ähnlicher Wirkstoffe, die in jüngster Zeit als "Abnehmspritze" (Semaglutid) auch zur Behandlung der Adipositas eingesetzt werden. GLP-1-Medikamente sind dafür bekannt, dass sie Entzündungen reduzieren - möglicherweise hängt damit ihre Wirkungsweise zusammen.

Wie sich das Gehirn selbst reinigt

"Die Ergebnisse sind sehr interessant", kommentierte Joseph Claßen, Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) sowie Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig, die neue Studie. "Wenn sich Parkinson mit dieser Klasse von Medikamenten bremsen ließe, wäre das ein Riesenerfolg." Allerdings bräuchte es erst noch Langzeitstudien, auch mit besser verträglichen, verwandten Wirkstoffen, so der Experte. Man müsse die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit an mehr Patienten nachweisen.

Denn die Einnahme des Medikaments führte zu Nebenwirkungen bei den Probanden. So litt die Hälfte von ihnen an teils starker Übelkeit, manche mussten sich wiederholt übergeben, heißt es in der Studie. Die Forschenden vermuteten, dass diese unerfreulichen Nebeneffekte durch eine zu hohe Dosis zustande gekommen sind. Sie hätten den Betroffenen direkt die höchstmögliche Dosis verabreichen, anstatt sie schrittweise zu erhöhen, wie das bei solchen Diabetes- und Abnehmmedikamenten üblich ist. Bei einem Drittel der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer, deren Nebenwirkungen unerträglich wurden, halbierten die Forscher deshalb die Dosis.

Auch Exenatid zeigte positive Ergebnisse

"Es braucht noch viel mehr Forschung, um zu schauen, ob GLP-1-Rezeptoragonisten wirklich die endgültige Antwort für Parkinson-Betroffene sind und ob man damit wirklich irgendwann Heilung erreichen kann", sagte Neurologe Pirker. Dass dies ein vielversprechender Ansatz sein könnte, hofft man in Fachkreisen bereits seit längerem. Verschiedene Studien lieferten Hinweise, dass Diabetes Typ 2 und manche neurodegenerativen Krankheiten ähnliche Signalwege aufweisen.

Eine 2017 veröffentlichte Studie aus London deutet darauf hin, dass der Wirkstoff Exenatid, ein weiteres Diabetes-Medikament, das in Deutschland seit 2007 auf dem Markt ist, auch den Krankheitsfortschritt bei Parkinson mindestens verlangsamt, wenn auch nur in geringem Umfang. Die Forschenden vermuteten damals, dass Exenatid die Energieversorgung der Neuronen verbessert, indem es sie wieder empfänglicher für Insulin macht, und damit Entzündungsreaktionen verringert.

"Wissenschaftlich interessant sind die in der aktuellen Studie nicht untersuchten Fragen, ob GLP-1-Medikamente vor dem Verlust von Dopamin-produzierenden Neuronen schützen und vielleicht den Ausbruch von Parkinson verhindern können", sagt DPG-Chef Claßen. Das wären sehr wichtige Ziele, denn Parkinson lasse sich bisher nicht ursächlich behandeln.

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