ZWEI CHEMOTHERAPIEN IN EINEM JAHR - ALINA (26) HATTE ZWEIMAL KREBS: „NACH DER HEILUNG GEHT DIE ANGST ERST RICHTIG LOS“

Alina hat in jungen Jahren schon zwei Krebs-Diagnosen erhalten. Zwar gilt sie jetzt als geheilt, doch die Angst bleibt. Wie die 26-Jährige damit umgeht und was ihr Kraft während der Chemotherapie gegeben hat.

So ganz konnte Alina ihren 23. Geburtstag nicht genießen. Zwar gab es wie in all den Jahren zuvor Glückwünsche, Kuchen und Fotos mit Gästen. Aber alles ohne die übliche Ausgelassenheit. Über allem schwebte die Frage: Kommt der Anruf heute noch? Als um 17 Uhr das Telefon klingelte, hatte Alina schließlich Gewissheit: Sie hat Lymphdrüsenkrebs.

Geahnt, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmen könnte, hatte sie aber davor schon. Einige Monate davor, kurz vor Weihnachten 2020, hatte Alina plötzlich Fieber. Nachts war sie so nassgeschwitzt, dass sie sich mehrfach umziehen musste. Doch die Corona-Tests waren negativ, Ärzte vermuteten zuerst andere Ursachen wie Rheuma oder Pfeiffersches Drüsenfieber.

Erst nach einiger Zeit wurde Alina im Krankenhaus mit Computertomografie untersucht. Für den nächsten Tag setzten die Ärzte sofort eine Operation an. „Da war mir schon klar, dass es ernster ist. Auch die Blicke der Ärzte haben mir verraten, dass etwas nicht stimmt“, erzählt sie im Gespräch mit FOCUS online.

Nach der Krebs-Diagnose „habe ich nur noch funktioniert“

Bis zur Diagnose an ihrem Geburtstag dauerte es dann nur noch wenige Tage – die sich aber wie Monate anfühlten. „Ich bin jedes Mal fast umgefallen, wenn das Telefon geklingelt hat, weil ich den entscheidenden Anruf erwartet habe.“ Ihr erster Gedanke nach dem Telefonat mit dem Arzt sei ganz banal gewesen, berichtet Alina: „Oh Gott, ich werde alle meine Haare verlieren.“ Sie habe nicht viel über Krebs gewusst, das sei ihre erste Assoziation gewesen. Am Tag der Diagnose weinte Alina – danach aber nicht mehr. „Ich habe dann nur noch funktioniert.“

In den Wochen danach begannen die Vorbereitungen für die Chemotherapie: Lungenfunktion untersuchen, einen Port operieren und Eierstöcke entnehmen, um die Fruchtbarkeit zu erhalten. Die Heilungschancen für ihre Art von Krebs standen gut, erzählt Alina. „Ich hatte deshalb nie konkret Angst zu sterben, auch wenn die Krankheit natürlich tödlich enden kann. Viel mehr Angst hatte ich vor der Behandlung“, gesteht sie.

Sie hatte kurz im Internet recherchiert und ist schnell auf Horrorgeschichten über die Chemotherapie gestoßen. „Das habe ich dann schnell weggeklickt. Danach habe ich dann eher gezielt nach Leuten gesucht, die trotz der Behandlung ein relativ normales Leben geführt haben.“

Auf Instagram erzählt Alina ihre Krebs-Geschichte

Alina sprach über ihre Diagnose sofort mit allen Familienmitgliedern und Freunden . „Ich wollte, dass sie es direkt von mir erfahren und keine Gerüchte entstehen.“ Während der sechs Chemo-Zyklen, die sich über rund vier Monate zogen, konnte sie dann aber nur noch wenige Menschen sehen – das Immunsystem war zu sehr geschwächt. Um die Freunde dennoch auf dem Laufenden zu halten, nahm Alina für sie ein Video auf, das sie später auch auf Instagram postete.

Zu diesem Zeitpunkt zählte nur ihr näheres Umfeld zu den Followern. Doch je mehr Alina über ihre Krankheit und die Chemo berichtete, desto mehr junge Menschen folgten ihr und erzählten ihr die eigene Krebs-Geschichte. Alinas Berichte blieben ungeschönt: Sie berichtet dort auch von Tiefpunkten und zeigt sich mit Glatze. „Ich wollte mich nicht verstecken und habe mich auch nie so gefühlt, als müsste ich mich verstecken“, erklärt sie. Heute hat die 26-Jährige mehr als 13.000 Follower auf ihrem Instagram-Account.

„Der Zuspruch, den ich dadurch bekommen habe, hat mir sehr geholfen.“ Die größte Stütze seien aber ihre Familie und Freunde gewesen. „Ich wusste immer, dass ich Menschen habe, die hinter mir stehen“, erzählt Alina und beginnt dabei zu weinen. „Das geht mir immer so, wenn ich darüber spreche. Das bedeutet mir einfach sehr viel.“

 

Die Chemotherapie hat Sicherheit gegeben – danach ging die Angst erst richtig los

Im Juli 2021 ging die Chemotherapie schließlich zu Ende. „Ich bin verdammt stolz auf meinen Körper, wie er das alles weggesteckt hat“, schrieb sie bei Instagram. Einige Zeit später galt Alina als geheilt. „Diesem Moment habe ich immer entgegengefiebert. Aber nach der Heilung ging die Angst erst richtig los“, erzählt sie. Die Chemo habe ihr Sicherheit im Kampf gegen den Krebs gegeben, die dann weggefallen sei.

In den Wochen darauf fühlte sich Alina immer wieder schlecht. Ist der Krebs zurückgekehrt? Die junge Frau wollte optimistisch bleiben und schrieb bei Instagram: „Hab die letzten Tage gemerkt, dass ich super darin bin, sämtliche Symptome für ein Rezidiv (die Rückkehr eines Tumors, Anm. d. Red.) zu spüren, die hoffentlich alle nur Einbildung sind.“ Alinas Follower bestärkten sie: „Ging mir genauso! Der Kopf spielt einem da ganz gerne mal einen Streich“, kommentiert einer, ein anderer schreibt: „Du bist durch damit.“

 

Doch das Fieber und der Nachtschweiß gingen einfach nicht weg. Als es besonders heftig war, entschied sich Alina, in die Notaufnahme zu fahren. Doch dort wies sie ein Arzt zurück. „Mein Sohn hat auch schon lange einen Infekt“, spielte er ihre Sorgen herunter. Alina machte das wütend: „Das hat mein Vertrauen in die Ärzte beschädigt.“

Zwei Krebsdiagnosen innerhalb eines Jahres

Nach zahlreichen Ärztewechseln gelangte sie schließlich wieder an den Onkologen, der sie schon zu Beginn der Krebserkrankung betreut hatte. „Ich hatte dann wieder eine Bezugsperson, die meine Vorgeschichte kannte. Ich konnte das einfach nicht mehr, jedes Mal neu einem anderen Arzt meine Situation zu erklären. Das kostet enorm viel Energie.“

Der Onkologe ermöglichte schließlich eine Untersuchung, die zur zweiten Krebsdiagnose innerhalb eines Jahres führte. Der Tumor war zu diesem Zeitpunkt schon wieder ähnlich groß wie vor der Chemotherapie. Die Behandlung, die dann folgte, war für Alina noch heftiger als die erste. So wurde beispielsweise bei einer riskanten Operation bei Bewusstsein ein Stück Gewebe entnommen. Anders als bei der ersten Therapie wurde Alina auch mit eigenen Stammzellen behandelt, was für ein unangenehmes Gefühl im Körper sorgte.

An einem Tag bekam Alina spätabends einen Anruf vom Hausarzt, wo ihr am Vortag Blut abgenommen worden war. Der Arzt war alarmiert, die Blutwerte schlecht. Alina musste ins Krankenhaus. „Man muss sich dann aus dem Bett aufraffen, wenn man dann im Krankenhaus ist, wird man für Untersuchungen immer wieder aus dem Schlaf gerissen“, erzählt sie.

Wegen der Corona-Pandemie durfte sie dabei niemand begleiten. Alina wurde zum regelmäßigen Gast in der Notaufnahme. Während der zweiten Chemotherapie musste sie sich auch zum ersten Mal wegen der Behandlung erbrechen und für einige Tage künstlich ernährt werden.

„Viele Ärzte mögen es aber überhaupt nicht, wenn man Fragen stellt“

Wenn Alina von ihrer Erkrankung und Therapie erzählt, spricht sie über viele medizinische Details und verwendet zahlreiche Fachbegriffe. Wollte sie sich zunächst nicht zu viel über das Thema informieren, ist sie im Laufe der Zeit zur Expertin geworden. Das hat auch mit negativen Erfahrungen zu tun: Einmal habe man ihr zu viele Chemo-Tabletten gebracht, einmal habe sie einen falschen Befund bekommen. „Man muss sich informieren, um so etwas zu verhindern und den Ärzten die richtigen Fragen stellen zu können.“

 

„Viele Ärzte mögen es aber überhaupt nicht, wenn man so viel weiß und Fragen stellt. Sie fühlen sich dann in ihrer Kompetenz angegriffen“, vermutet Alina. „Aber es ist mein Körper und ich möchte wissen, was mit mir passiert. Allgemein würde sie sich mehr Zugewandtheit wünschen.

Es habe aber auch positive Erfahrungen gegeben: „Ich fand es immer schön, wenn sich ein Arzt einen Stuhl herangezogen oder sich auf die Bettkante gesetzt hat. Zum einen wird dann nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe gesprochen. Und zum anderen gibt es das Gefühl, dass der Arzt im Moment voll für einen da ist, auch wenn er eigentlich im Stress ist und gleich weiter muss.“

„Ich habe mich mit 25 Jahren wie eine alte Frau gefühlt“

Nach der zweiten Chemotherapie hat sich Alina für eine Antikörpertherapie entschieden. Damit soll eine erneute Rückkehr der Krankheit verhindert werden. Doch die Nebenwirkungen waren heftig: Alinas Nervensystem wurde beschädigt, nach einiger Zeit konnte sie nicht mehr einmal laufen. „Ich habe mich mit 25 Jahren wie eine alte Frau gefühlt, meine 80-jährige Oma war fitter“, erzählt sie. Die Ärzte wollten die Behandlung deshalb vorzeitig beenden – Alina aber nicht. Erst kurz vor dem regulären Ende der Therapie konnte sie sich dazu durchringen, abzubrechen.

 

Das ist nun etwas mehr als ein Jahr her. Die Nerven der 26-Jährigen haben sich regeneriert, doch noch immer ist Alina nicht so beweglich wie vor der Therapie. Die gute Nachricht: Bislang ist der Krebs nicht zurückgekehrt. Aber die Angst schwingt noch immer mit. Bei jeder körperlichen Veränderung kommt die Sorge vor einem Rückfall auf.

Durch die Krankheit habe sich ihr Bewusstsein verändert, erzählt Alina. „Man fragt sich bei allem: Ist das förderlich für meine Gesundheit? Welche Inhaltsstoffe sind in meinen Kosmetikprodukten, wie gesund ist das Essen? Aber ich darf mich auch nicht zu sehr stressen, das wäre ebenfalls ungesund.“ Sie habe etwas Leichtigkeit im Leben verloren, sei aber auch sehr dankbar. „Und ich bin stolz darauf, wie ich alles gemeistert habe und an der Krankheit gewachsen bin.“

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